Nach dem Maya-Kalender geht eine Ära zu Ende, aber nicht die Welt

Im Rahmen eines Schreibstipendiums der Thomas-Morus Akademie war ich 2012 als Live-Reporterin vor Ort (Young Press). Der Text stammt aus dem Archiv:

Am 21. Dezember geht der Maya-Kalender zu Ende. Gerüchte über das, was dann passiert, gibt es viele. Ein großes Naturereignis ist nicht zu erwarten. Stattdessen zeigen bunte Feste und Zeremonien eine lebendige Mayakultur – lebendig sicherlich noch weitere 5128 Jahre.

Auf der ITB Berlin, der weltweit größten Tourismusmesse, treffe ich am Guatemala-Stand auf einen Maya-Priester. Genauer gesagt ist er Tagzähler, in seiner Sprache Ajkij, was wohl am besten seine Berufung in der Heimat beschreibt. Er stammt aus Guatemala, ist nicht besonders groß, vielleicht 1,70 Meter. Ich vermute, sein gestreiftes Hemd ist aus seiner Heimat: Vereinzelte Stickereien mit dickem bunten Garn ähneln der Dekoration des Messestandes. Er ist klein, aber kräftig und er wirkt agil in seinen Bewegungen, als würde er tatsächlich oft spirituelle Tänze machen.

Der Mann aus Guatemala ist für mich der Richtige, um die Bedeutung über das Ende des Maya-Kalenders zu ergründen. Viele Gerüchte bestehen: Am 21. Dezember 2012 soll die Welt untergehen. Dass an dem Kalender etwas wahr ist, hatten schon viele astronomische Ereignisse bewiesen, die tatsächlich auftraten: Sonnen- oder Mondfinsternisse beispielsweise. Eine andere Theorie kam mir noch zu Ohren: Die Mayas waren gerade dabei, den Kalender zu schreiben, als plötzlich die Spanier ins Land einfielen. Sie konnten ihre Arbeit einfach nicht zu Ende bringen.

Zugegeben, für mich sind diese bewiesenen astronomischen Phänomene in Kombination mit spiritueller Endzeitphantasie nur nette Esoterik. Ich bin weniger spirituell als dass ich rational denke, wie wahrscheinlich die meisten Menschen in Europa.

Der Mann aus Guatemala lacht. „Sicherlich geht nicht die Welt unter und der Kalender ist auch vollständig“, versichert er. Alle 5128 Jahre endet ein Kalender – und geht am nächsten Tag wieder von vorne los. „Vielleicht wird es für ein bis zwei Tage dunkel …“

Tatsächlich soll sich die Sonne in den dunklen Graben im Zentrum der Milchstraße bewegen – sie lädt ihre Energie wieder auf und kann uns weitere 5128 Jahre damit versorgen. Sollte das passieren, dann am Tag der Wintersonnenwende – eben am 21. Dezember 2012. Im Maya-Kalender hat jeder Tag eine andere Energie „und wir Menschen stehen in direkter Verbindung dazu.“ Das kann man sich etwa so vorstellen, wie ein Handy, das an das Stromnetz angestöpselt wird – es füllt sich wieder mit neuer Energie, so auch die Sonne.

Der Maya-Kalender gilt als wesentlich präziser als der Gregorianische, den wir hier im Abendland kennen. „Sonne, Venus und Erde werden im Dezember ansatzweise in einer Linie stehen“, erklärt der Maya-Priester und Tagzähler.

Wir sitzen während der Tourismusmesse in Berlin in einem nachgebauten Mayatempel, dieser ist etwa vier Meter hoch und aus Plastik. Die graue Außenwand ist stufig, wie auch die der richtigen Tempel in Guatemala, Mexiko und Belize, die vor tausenden von Jahren gebaut wurden. Von allen vier Himmelsrichtungen kann man bei den originalen Mayabauwerken je 91 Stufen bis zu einer Plattform hinaufsteigen. Von dort haben die Astrologen in die Sterne geschaut und ihre Berechnungen aufgestellt. 91 mal vier plus eins ergibt 365. Ein Zeichen?

Vor dem Übergang in die neue Ära haben die Einwohner Guatemalas keine Angst. Sie planen großartige Feste und Zeremonien, Tänze, und Opfergaben von Schokolade und anderen Süßigkeiten, denn das ist, was die Götter lieben. Außerdem gibt es Alkohol, der die bösen Geister vertreibt. Kerzen werden bei solch einer Zeremonie in alle vier Himmelsrichtungen aufgestellt und die Götter werden vom Maya-Priester angerufen. Im Feuer erkennt der Priester das Wohlwollen der Götter. Die Bewohner freuen sich nicht nur auf die Zeremonien: Festivals und künstlerische Auftritte werden das Bild von einem bunten und spirituellen Land abrunden.

Zeit ist die Leidenschaft der Mayas. Für sie ist sie wiederkehrend, nicht linear wie bei uns Europäern. Unterschiedliche Kalender existieren in der Maya-Welt: Für rituelle Zwecke nutzen sie den Tzolkin-Kalender mit 260 Tagen. 260 ist das Produkt aus den Multiplikatoren 13 und 20. 13 Zahlen und 20 Namen greifen wie unterschiedlich große Zahnräder ineinander – 260 Kombinationsmöglichkeiten gibt es. Dem Haab-Kalender liegt der Umlauf der Sonne um die Erde zugrunde – eine Periode von 365 Tagen. Angenommen, beide Kalender starten am gleichen Tag, ist dieser Anfangspunkt erst wieder nach 52 Jahren erreicht. Die Mayas nennen dies „Kalender Runde“.

„Jegliche Prophezeiungen, die sich um den 21. Dezember 2012 drehen, basieren auf einem dritten Kalender. Die sogenannte ‚lange Zählung’“, erklärt Iris Lohrengel, die einst als Deutsche nach Guatemala reiste, um dort Spanisch zu lernen und nun dort als Reiseleiterin arbeitet, „begann wahrscheinlich am 11. August 3114 v. Chr.“ Das Ende der Periode von 5128 Jahren ist auf den 21. Dezember diesen Jahres datiert.

Ich bin nur mäßig überrascht, dass die Welt nicht untergehen wird. Stattdessen überrascht und fasziniert mich die Kultur der Mayas, ihre astronomische Wissenschaft, deren Großteil erst vor 30-40 Jahren entschlüsselt wurde. 90 bis 95 Prozent der Inhalte sind heute überliefert.

„Die Welt geht nicht einfach unter, höchstens lassen wir Menschen sie untergehen“, sagt Iris Lohrengel. Für die Zukunft wünscht sie sich eins: „Ich hoffe, das Jahr 2012 ist für die Menschen eine Anregung einmal über den Sinn des Lebens nachzudenken. Der Sinn sollte nicht das eigene Haus und der BMW davor sein. Ich wünsche mir, dass die Menschen die Welt als Geschenk sehen und mehr teilen. Sie sollen ihr Leben so führen, dass sie direkt oder indirekt niemandem schaden.“

Foto: unsplash.com /Jimmy Baum

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